Dienstag, 24. Juni 2008

Auf dem Weg in die Klapse - Widerspruch

Hiermit zeige ich euch meinen Widerspruch, den ich damals geschrieben habe, als die Rentenversicherung schon nach vier Tagen den Antrag auf eine stationäre Therapie in Bad Bramstedt verweigert hatte.

Widerspruch

Sehr geehrter Herr Gutachter,

bezüglich Ihres Bescheides vom 29.01.2008 lege ich hiermit Widerspruch ein.

Dass ich am Aufmerksamkeitsdefizit Syndrom leide und sich leider auch eine Depression entwickelt hat konnten Sie schon dem ärztlichen Befund entnehmen. Scheinbar wissen Sie nicht genau, wie sich diese Komorbidität auf einen Menschen und dessen Leben auswirkt, denn dann hätten Sie mir nicht schon nach 4 Tagen eine Standartablehnung nach Hause geschickt.

Ich will Ihnen gerne Mal aus meinem Leben erzählen. Seit 1.8.2007 mache ich eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Eigentlich könnte ich zufrieden sein mit meinem Leben, denn die Kollegen sind nett und die Arbeit macht spaß. Leider habe ich einen normalen 8 Stunden Tag, ich jedoch würde gerne einen 20 Minuten Tag haben, denn länger reicht meine Konzentrationsfähigkeit nicht aus. Es ist jeden Tag dasselbe. Kurz nach Schichtbeginn geht’s mir gut und ich kann meine Aufgaben erfüllen, aber nach kurzer Zeit kommt dieses „Absacken“, gegen das ich nichts machen kann. Dieses Absacken ist eigentlich schon zur Normalität geworden, denn ob früher in der Schule, oder beim Fußball oder jetzt bei der Ausbildung, es ist immer das selbe. Immer war nach kurzer Zeit die Konzentration weg und nichts ging mehr. Hat man mir in dieser Phase was gesagt, konnte ich es nicht aufnehmen. Wollte ich einen Sachverhalt darstellen, stotterte ich halbe Sätze heraus und mein Gegenüber guckte mich nur blöd an. Ich dachte, dass wird jetzt bei der Ausbildung anders werden, obwohl ich wusste, dass ich ADS habe und obwohl ich wusste, dass es unheilbar ist. Ich habe mir was vorgemacht und alles geht so weiter wie bisher. Kommt ein Kunde ins Geschäft, kann ich nur mit Mühe verstehen, was er eigentlich will. Ich bin schon seit 6 Monaten da und muss immer noch bei fast jedem Mal die Kollegen dazuholen, weil ich wieder einmal vergessen habe, wo was ist, oder ob die Sachen, die der Kunde haben will überhaupt Teil unseres Sortimentes sind. Neue Sachverhalte muss man mir 5 Mal erklären und selbst dann ist es nicht sicher, ob ich es beim nächsten Mal noch anwenden kann. Die anderen Azubis, die mit mir die Lehre angefangen haben, sind schon viel weiter als ich. Ich kann wieder einmal zusehen, wie alles an mir vorbeizieht. Das Medikament, dieses Scheiß Methylphenidat von der Firma Hexal ist das einzige, was mich noch zusammenhält. Zwar kann ich meine Arbeitsleistung deutlich erhören, aber dennoch vergesse ich übermäßig Dinge. Oder ich verlege Sachen und finde sie nicht wieder. Durch dieses Medikament sehe ich über den Strich jedoch viel mehr Dinge. Ich denke nicht mehr über 1000 zum Teil sinnlose Gedanken nach wie sonst, aber dafür wird mir bewusst, was ich eigentlich für ein Leben geführt habe. Ein Leben voller Niederlagen, die ich nicht einfach so ausblenden kann. Ich habe erkannt, dass ich von alleine nichts mehr in den Griff bekommen kann. Gegen diese depressiven Stimmungen, die glaube ich auch durch die Medikamente verstärkt werden, komm ich auch nicht an. Positiv denken? Das bringt einen verdammten Scheißdreck! Ich bin unter dem, was ich leisten kann und eigentlich war ich immer unter dem was ich leisten kann. Das kann ich sagen, weil ich weiß was in mir steckt. Erzähle ich jedoch jemanden davon, höre ich nur, dass ich mich nicht überschätzen soll.

Ich sitze hier um 1:15 Uhr am 20. Februar und schreibe diesen ganzen Scheidreck auf für irgendwelche Leute, für die ich nur eine Rentenversicherungsnummer bin. Ich muss was ändern an meinem Leben, sonst mache ich Schluss damit. Ich habe nichts. Ich habe kaum Freunde. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause fahre ist da nichts, nur das Chaos. Hier liegt überall Papier herum und irgendwelche Psychofragebögen, die ich noch für die Klinik in Bad Bramstedt ausfüllen muss. Ich bin wirklich so weit, dass ich mich einweisen lassen will. Leider fehlt mir das Geld, sonst würde ich den Aufenthalt selbst bezahlen darum schreibe ich Sie an, damit ich die Chance habe auf ein normales Leben. Eine ambulante Therapie ist für mich schwierig zu realisieren, weil ich mit den Arbeitzeiten im Einzelhandel keine festen Termin wahrnehmen kann. Außerdem, wo soll ich denn ganz hinfahren bitte schön? Schon von Winsen nach Stellingen zu fahren zu Dr. Goossens-Merkt ist eine ziemliche Belastung.

Ich glaube jedenfalls, dass ich durch eine stationäre Therapie das Ruder noch herumreißen kann. Mein Arbeitgeber würde sogar mitspielen und mich freistellen. Eine Therapie hat meiner Ansicht nach sowieso nur Sinn, wenn sie auf ADS und Depressionen abzielt, Dieser Depression bin ich manchmal schutzlos ausgeliefert. So kam es schon mal vor, dass ich im Geschäft stand und einfach tot sein wollte. Auch saß ich manchmal im Zug nach Hause und wenn er entgleisen würde, so dachte ich, wäre es mir egal. Es kann mir keiner sagen, dass eine Therapie nicht notwendig sei. Über Ihren Bescheid rege ich mich immer noch auf. Sie müssen nur einen Tag lag in meinen Körper schlüpfen, dann würden Sie schon von selbst merken, das Therapiebedarf besteht. Wie weit bin ich gesunken, dass ich mich am besten heute noch selbst einweisen würde? Ich würde ja gerne jetzt mit meiner Freundin schlafen und mich für einen tollen Typen halten, aber ich habe keine und finde mich selbst nur noch zum Kotzen. Wenn ich wenigsten mir selbst Treu sein würde, aber selbst dazu bin ich unfähig. An einem Tag fühl ich mich gut, an den meisten anderen jedoch absolut zum Kotzen. Das Leben zieht an mir vorbei. Alles um mich herum entwickelt sich nur ich bleibe immer der Selbe, genau das gleiche habe ich schon vor ein paar Jahren auf dem Gymnasium gedacht und jetzt sitze ich wieder hier und schreib genau dieselbe Scheiße und nichts hat sich geändert.

Ich stehe kurz davor mich umzubringen und Sie wollen „die Kosten nicht übernehmen, weil eine Therapie nicht notwendig sei“. Wenn man mich jetzt im Stich lässt, war es das. Ich kann nicht mehr.

Ich könnte einen ganzen verdammten Roman darüber schreiben, wieso ich nicht mehr alleine zurechtkomme. Aber ich lass es jetzt gut sein.

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